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ANDREA KERN: ALLES UND NICHTS. DAS LEBEN EINES „ICH“
Am Neuen Palais 10, 14469 Potsdam
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Manche, wiewohl nicht alle Menschen verwenden manchmal, vielleicht sogar immer, ethische Begriffe wie „Gerechtigkeit“ oder „Pflicht“, wenn sie über sich und ihresgleichen nachdenken. Dass wir Menschen über solche Begriffe verfügen, so argumentiert die (Neo-) Aristoteliker:in, gründet nicht darin, dass wir praktische Vernunft haben. Es ist durchaus eine Lebensform von Ich-Denker:innen vorstellbar, die auf sich selbst keine ethischen Begriffe anwenden, sondern sich in rein instrumentellen Formen des praktischen Denkens und Schließen erschöpfen. In der Verfügbarkeit ethischer Begriffe liegt vielmehr, so die Idee, das Kennzeichen genuin menschlichen Lebens, das sich darin als Naturtatsache erweist, die auch nicht hätte sein können. Ich werde – unter Bezugnahme auf Hegelsche Überlegungen – behaupten, dass diese Identifikation der menschlichen Lebensform mit einer ethischen Lebensform einem Mißverständnis darüber aufruht, was eine selbstbewusste Lebensform ist. Die Idee einer selbstbewussten Lebensform, deren Subjekte Ich-Denker:innen sind, ist nicht die Idee einer Gattung, die sowohl in ethischer wie auch in nicht-ethischer Gestalt verwirklicht sein kann. Der Grund dafür liegt jedoch nicht darin, dass Hegel zufolge die Idee einer nicht-ethischen selbstbewussten Lebensform inkohärent ist, wie etwa Kant glaubte zeigen zu können. Der Grund ist vielmehr der, dass Hegel bestreitet, dass der Begriff einer selbstbewussten Lebensform eine Potentialität beschreibt, die man denken kann, ohne dabei sich selbst durch diesen Begriff zu denken. Und das heißt, ohne dabei entweder ein Denken zum Tragen zu bringen, in dem man sich selbst durch und in einem anderen Menschen erkennt, oderaber ein Denken zum Tragen zu bringen, das genau diese Selbsterkenntnis durch und in einem anderen Menschen bestreitet. Nach einer solch disjunktiven Konzeption einer selbstbewussten Lebensform steht die Wirklichkeit einer selbstbewussten Lebensform in jedem Augenblick des Denkens auf dem Spiel. Das ist die Kehrseite der (Hegelschen) Einsicht, dass der Begriff des Menschen nicht der Begriff von etwas Endlichem ist, sondern von etwas „Absolutem“.
Programm
14. Juli 2022
Am Neuen Palais, Haus 11, Raum 0.09
- 16:00 – 18:00 – Fines Hominis Lecture
- Im Anschluss Empfang
Am Neuen Palais, Haus 11, Raum 2.22
15. Juli 2022
Am Neuen Palais 10, Haus 09, Raum 2.05
- 10:00 – 13:00 – Workshop
Fines Hominis Vorlesungsreihe
Aber wer, wir?
Derrida, Fines Hominis
Die Vortragsreihe Die Enden des Menschen fragt nach der Rolle der philosophischen Anthropologie im gegenwärtigen Denken. Die Situation ist zweideutig: auf der einen Seite steht eine vertiefte Kritik am Anthropozentrismus in der Philosophie, die verschiedene posthumanistische Vorhaben motiviert hat. Die Zentrierung auf den anthropos sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, mit einer Verkürzung und Herabsetzung des Nicht-Menschlichen einherzugehen und gleichzeitig mit einer uneingestandenen Verengung und hegemonialen Bestimmung des Menschlichen selbst. Die krisenhaften Entwicklungen, die unter dem ironischen Titel „Anthropozän“ diskutiert werden, gelten als Beleg, dass ein am anthropos ausgerichtetes Bild einhergeht mit einer auf desaströse Weise verfehlten Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Mensch, Mensch und Tier, Subjekt und Ding, Geist und Welt. Der Mensch schreitet nach dieser Diagnose entweder unwillentlich seiner eigenen Auslöschung entgegen oder findet endlich Wege sich selbst zu überwinden. Auf der anderen Seite seht ein nicht minder starkes, neu erwachtes Interesse an der philosophischen Anthropologie in der Philosophie des Geistes, das darauf zielt, den verkörperten, endlichen, sozialen und historischen Charakter des Geistes auf neue Weise zu erschließen. Die philosophische Anthropologie selbst also soll es uns erlauben, ein verkürztes mentalistisches, intellektualistisches, solipsistisches und ahistorisches Bild des Geistes zu überwinden und das Verhältnis von Mensch und Mensch, Mensch und Tier, Subjekt und Ding, Geist und Welt anders zu bestimmen.
Die Zweideutigkeit bleibt den beiden Seiten – dem Posthumanismus einerseits und der neuen philosophischen Anthropologie andererseits – nicht äußerlich, sondern betrifft sie beide innerlich. Ist der Posthumanismus, der den Menschen zu überschreiten beansprucht, nicht immer noch eine Form von Anthropologie – gebunden an die Besonderheit eben jenes Tiers, das sich selbst zu überschreiten vermag, und gerichtet an das Wir einer menschlichen Gemeinschaft, die sich selbst verwandeln soll? Zielt umgekehrt die neue philosophische Anthropologie nicht umgekehrt darauf, ein bestimmtes dominantes Bild des Menschen zu überwinden und über eine abstrakte und hegemoniale Weise, nach ihm zu fragen und sich an ihn zu richten, gerade hinauszugelangen?
Die Vortragsreihe versammelt wichtige Stimmen aus der internationalen Diskussion, die den Sinn der Verabschiedung wie der Erneuerung, der Kritik wie der Neubegründung der philosophischen Anthropologie befragen. Sie fragen auf ihre je eigene Weise danach, wie wir uns selbst durch die posthumanistische Kritik und die anthropologische Renaissance verstehen, und wer dies ist: wir.
Bild
Weißer Matsutake